Regen - Eine Liebeserklärung by Schirach Ferdinand von

Regen - Eine Liebeserklärung by Schirach Ferdinand von

Autor:Schirach, Ferdinand von [Schirach, Ferdinand von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Luchterhand Literaturverlag
veröffentlicht: 2023-08-23T00:00:00+00:00


Ich glaube, dass wir nur ein, höchstens zwei Mal im Leben wirklich lieben können

Ein Interview

Herr von Schirach, Sie waren 20 Jahre lang ein gefragter Strafverteidiger, der etwa 700 Angeklagte vor Gericht vertreten hat, darunter Mörder, Vergewaltiger, Unterweltgrößen, Spione, Industrielle und Prominente wie Günter Schabowski oder die Erben von Klaus Kinski. Wie wurde aus Ihnen mit Mitte 40 ein Schriftsteller?

Es ist nichts Besonderes passiert. Kein Autounfall, bei dem ich aus dem brennenden Wrack kletterte und glaubte, jetzt mein Leben ändern zu müssen. Nichts davon. Ich habe einfach angefangen zu schreiben. Nachts, anders ging es nicht. Damals habe ich noch als Anwalt gearbeitet, also tagsüber im Gericht verteidigen, nachts in der Wohnung schreiben. War anstrengend, aber herrlich. Ich hatte das lange vermisst.

Wieso vermisst?

Ich habe früh schon geschrieben, als Kind und Jugendlicher. Dann habe ich aufgehört.

Erklären Sie, warum?

Das ist eine ziemlich langweilige und traurige Geschichte, fürchte ich. Ein bisserl zu intim.

Sie erzählen in Ihrem Erzählband Nachmittage davon.

Das ist etwas ganz anderes. Beim Schreiben ist man alleine, man kann über jeden Satz lange nachdenken, jeden Absatz umschreiben. Beim Interview ist alles so furchtbar direkt. Ich telefoniere ja auch nicht gerne.

Weil Ihnen das zu direkt ist?

Die Telefonfunktion meines Handys habe ich abschalten lassen, man kann mich seit mehr als zehn Jahren nicht anrufen. Ich kann anrufen, aber nicht angerufen werden. Das ist eine große Erleichterung. E-Mails sind angenehmer, die können Sie lesen, wann Sie wollen. Oder auch nicht.

Sind Sie ein Um- und Neuschreiber?

Ich schreibe jeden Absatz 30-, 40-, 50-mal um. Es geht darum, dass am Ende der einfachste Satz übrig bleibt. Nur das, was man einfach sagen kann, ist wahr. Es geht um das einfachste, klarste Wort, das Sie finden können. Während des Schreibens hören Sie den Klang, den Rhythmus. Sie merken sofort, wenn der nicht stimmt, wenn Sie beim Lesen stolpern. Bei einer Veranstaltung fragte mich ein Student, wie man beschreibt, dass jemand atmet. Ich gab die Frage an das Auditorium zurück. Es kamen Antworten wie: »Man holt tief Luft, pumpt die Lungen voll.« Und so weiter. Aber das ist falsch. Sie müssen nicht beschreiben, dass jemand atmet, denn wenn er es nicht mehr tut, ist er tot. Darüber können Sie dann schreiben.

Auf wie viele Seiten bringen Sie es an einem Tag?

Im besten Fall auf eine gedruckte DIN -A4-Seite. George Simenon mit seinen 192 Romanen hätte darüber nur gelacht. Über ihn wird die Geschichte erzählt, dass sein Verleger ihn einmal in einem seiner zahlreichen Schlösser besuchen wollte. Die Hausdame sagte, es täte ihr leid, aber Monsieur Simenon schreibe gerade einen Roman. Der Verleger setzte sich in die Eingangshalle und sagte: »Gut, ich warte.«

Es heißt, Sie hätten als Jugendlicher nach dem Tod Ihres Vaters nicht mehr schreiben können.

Sie sind ein wenig anstrengend. Hat man Ihnen das schon einmal gesagt?

Ja.

Also doch die Geschichte über das frühe Schreiben?

Bitte.

Es geht um meinen Vater. Ich kannte ihn nur strahlend, elegant und unbesiegbar, aber in Wirklichkeit war er ganz ohne Halt. Nach der Scheidung von meiner Mutter wurde er zum Trinker, immer noch begabt, aber jetzt verwahrlost und elend. Er hat sich nach und nach zu Tode getrunken und starb, als ich 15 war.



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